An der Kinderh@nd ins Internet Die EU verordnet ihren Buergern neue Kommunikations-Technologien. Dabei haben einige heimische Minister durchaus noch Nachhilfe-Bedarf Das ist die deutsche Ehrlichkeit: Kanzler Gerhard Schroeder gab kuerzlich unumwunden zu, vom Internet-Surfen keinen blassen Schimmer zu haben. Mittlerweile sitzt der 55-Jaehrige freiwillig nach und bueffelt Bits und Bytes. Hierzulande ist das anders. Schenkt man den Aussagen der Ministeriumssprecher Glauben, sind die heimischen Regierungsmitglieder - Altersschnitt 49 Jahre - eifrige User der Kommunikationsrevolution. Das sollten sie auch sein. Beim EU-Gipfel in Lissabon verordneten die Regierungschefs ihren Landsleuten, bis spaetestens 2005 Internet-fit zu sein. Deklarierte Muffel gibt es wenige: Dazu zaehlt gerade Technologieminister Michael Schmid, von dem selbst sein Sprecher sagt, er sei ein "vorsichtiger Anwender". Dafuer sei der blaue Steirer bei Handys immer up to date. Das duerfte auch fuer das virtuelle Angebot des Justizministeriums gelten. Dieter Boehmdorfer (FP) kann das freilich nicht nuetzen. Er hat als einziger Ressortchef keinen PC im Buero. "Er ist aber von Leuten mit Computern umgeben", versucht Boehmdorfers Stimme Gerhard Litzka, seinen Chef nicht alt aussehen zu lassen. Sie koenne damit umgehen, gibt sich Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer leidenschaftslos. Sie bereite sich zwar mittels World Wide Web auf Vortraege vor, Begeisterung kommt aber keine auf. "Ich habe keine Zeit, ein Internet-Freak zu sein", gesteht auch VP-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Ihre Nutzung beschraenkt sich vor allem auf eMails. Vorzugsweise auf jene ihres Sohnes, der "Fotos von seinen Kindern schickt, die ich immer gleich ausdrucke". Der ministerielle Nachwuchs ist der beste Lehrmeister fuer die gestressten Muetter und Vaeter. "Sein Sohn Daniel liefert die neuesten Infos, was sich im Netz tut", weiss die rechte Hand von Kanzler Wolfgang Schuessel, Heidi Glueck. Auch Landwirtschaftsminister Willi Molterer, Sozialministerin Elisabeth Sickl, Gesundheitsstaatssekretaer Reinhart Waneck und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verdanken ihr Wissen den Kindern. Einen Trockenkurs im Surfen belegte Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner. In ihrem Buero nuetzen nur wenige dieses Know-how - aus Zeitnot, wie alle beteuern. Manche froenen privat der Internet-Leidenschaft. Medien-Staatssekretaer Franz Morak braucht das www nach einem langen Buerotag zum "Downcoolen" - auch wenn das Adrenalin steigt, weil "ab 20 Uhr die Server immer ueberlastet sind". Moraks Chef Schuessel blaettert via Mausklick in der Financial Times und der Washington Post. Nach Marathonsitzungen laeuft Sportsmann Bartenstein zu Hoechstform auf, wenn er sich auf an seinem ansehnlichen Ergebnis beim New Yorker Stadtlauf erfreuen kann. In nordische Gefilde zieht es Waneck. Von seiner schwedischen Frau inspiriert, schmoekert er in Zeitungen ihres Heimatlandes. Nicht in die Ferne surft Sickl, wo doch das Gute ist so nah. Ihre Lieblings-Homepage ist die eigene. Auf wird ihr Kaerntner Domizil beworben. Echte Freaks sehen anders aus. Zur @-Generation in der Koalition zaehlen Finanzminister Karl-Heinz Grasser, sein Staatssekretaer Alfred Finz, Innenminister Ernst Strasser und Molterer. Finz werkte bereits als EDV-Programmierer, als andere hinter diesem Kuerzel noch eine gefaehrliche Krankheit vermuteten - 1967. Ergo faehrt er auch im Buero auf den Datenhighway auf. In seinen Bookmarks finden sich nicht nur Finanzseiten, sondern auch alle Tageszeitungen. Das Sony-Notebook ist staendiger Begleiter von Innenminister Strasser. Sein Team quaelte der Niederoesterreicher juengst damit, ein spezielles Computerkabel zu besorgen, um auch in Bruessel bei EU-Ministerratssitzungen online sein zu koennen. Nicht mindere "Qualen" (Sprecher Popp) fuegt Strassers Parteikollege Molterer seinen Mitarbeitern zu. Regelmaessig kontrolliert der Ressortchef, ob auch alle eMails bearbeitet werden. Geschieht dies nicht zeitgerecht, greift er zum Telefon. Zu den Kennern duerfte auch Heeresminister Herbert Scheibner gehoeren. Details wollte man in seinem Kabinett allerdings nicht verraten. Von anderer Seite war zu erfahren, dass der Wachtmeister der Miliz auf seinem Laptop eifrig die Boersenkurse studiert. Was Grasser & Co. intus haben, moechte Bildungsministerin Gehrer nachlernen. "In der Pension werde ich mir drei Wuensche erfuellen: Neben der Verbesserung meines Querfloetenspiels und mehr Zeit fuer die Enkel will ich Internet-Freak werden." Die Internet-Adressen des Kanzlers und der Ministerien : Wer hier andockt, landet bei Kanzler Schuessel, Vize Riess-Passer (schwer zu finden) und Kunststaatssekretaer Morak. Kommunikation erwuenscht: In Diskussionsforen kann man seine Meinung deponieren. : Homepage von Aussenministerin Ferrero-Waldner. : Sozialministerin Sickl und Gesundheitsstaatssekretaer Waneck offerieren hier ein virtuelles Gaestebuch. : Finanzminister Grasser, Staatssekretaer Finz bieten links zu den Finanzaemtern. : Alles ueber das Wahlrecht bei Innenminister Strasser. : Infrastrukturminister Schmid. : Justizminister Boehmdorfer. : Schoen bunt - Homepage von Heeresminister Scheibner. : Konservativ - Landwirtschaftsminister Molterer. : Unterrichtsministerin Gehrer. Autor: Karin Leitner, Christian Thonke